Ramona Raabe
  • System mit Herz – Filmkritik. „Her“ (2013).
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System mit Herz  – Filmkritik. „Her“ (2013).
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In HER verliebt sich der feinfühlige Schriftsteller Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) in einer nicht allzu fernen, realistischen Zukunft in eine außergewöhnliche Partnerin: Seinen Computer Samantha, eine programmierte Assistentin: künstlich, aber mit einem eigenen (echten?) Bewusstsein. Spike Jonze erzählt lyrisch und zärtlich eine Liebesgeschichte, die modernste und mechanischste überhaupt, die gleichzeitig auf rührende Weise einfach menschlich bleibt.

 Verliebt in Siri

Da sind die Pärchen, die sich im Restaurant schweigend gegenüber sitzen – jeweils in ihre Handys vertieft – , da sind scheinbar mit sich selbst sprechende Menschen mit Knopf im Ohr, die wohlbekannt nicht verrückt sind, Spracherkennungscomputer und Assistenten, welche auf verbale Aufforderung Aufgaben erfüllen und gar Fragen beantworten –  all dies sind bekannte Bilder und Momente unserer gegenwärtigen Zeit. Telefon- und Computerabhängigkeit, Dauerbeschäftigung und Obsession, gar Sucht, sind Erkennungsmerkmale unserer modernen Immer-Online-Gesellschaft.

Eigentlich ist es den meisten schon passiert: Sie lieben ihren Computer, verbringen die meiste Zeit mit ihm, pflegen zu ihm die innigste Verbindung. Nichts wird mehr gestreichelt als die Tastatur. Kaum einer kennt einen besser als die eigene Festplatte, als der eigene Internetverlauf. Nachrichten, Recherche, Vorlieben.

 Theodore (Joaquin Phoenix) ist einsam. Auf der Arbeit schreibt er bestellbare Liebesbriefe für Klienten, in seinem Kopf malt er Liebesbilder an seine Vergangenheit. Dort ist er noch verheiratet mit Catherine (Rooney Mara). Träge schleppt er sich durch den Tag. Er ist der melancholische Schriftsteller – aber nicht der mit der Feder in der Hand, sondern der mit dem Knopf im Ohr. Als Theodore ein neues, hochentwickeltes Betriebssystem erwirbt, sozusagen einen neuen Assistenten, lernt er Samantha kennen: charmant, humorvoll, intelligent. Mit Biss. Mit Ideen, Gedanken. Mit Eigensinn. Und später: Mit Gefühl und Sexualität. Ist das echt, was da einst programmiert wurde? Und ist das nicht eigentlich egal, sind doch Theodores Zuneigungen wahre, ist doch sein durch Samantha verspürtes Glück ein echtes? Welche Formen von Liebe gibt es und kann es in der Zukunft geben? Und was ist schon Emotion?

Diese und weitere Fragen wirft Jonze, der auch das Drehbuch schrieb und hierfür gestern erst in Los Angeles den Golden Globe erhielt, in dem zweistündigen Film auf. Ein Film, in dem an sich nicht viel passiert, und der doch in vielen Schichten träumt und taumelt.

Ganz nah

Es ist ein gefühlvoller Film, der sich Zeit nimmt und in Ruhe erzählt. Ein Film, der zuhört und zuhören lässt. Wer sich dafür nicht öffnen kann, mag sich zumindest an dem Witz erfreuen, denn Her ist eine Komödie, eine stille, traurig gestimmte Komödie, mit witzigen Dialogen und v.a. erheiternden Animationen. Der Witz sind eigentlich die Computer selbst – wie passend.

Direkt ins Herz will Jonze treffen, und lässt so unwahrscheinlich nahbar wirkende Charaktere erzählen, durch ihre Worte, aber v.a. auch durch ihre einfache, aussagekräftige Mimik. Treffend daher auch der häufig gewählte Einsatz von Close-Ups. Der Film lädt zu Begegnungen ein.

Starke Besetzung, Werk eines Autors

Mit Joaquin Phoenix, Rooney Mara, Amy Adams und Olivia Wilde fährt Her mit einem starken Stargebot auf; allerdings nicht mit einer solchen Cast, dass sie einen demonstrativ ob ihres Starfaktors anspringen würde. Starke Schauspieler, die sich natürlich und fast nackt geben, die recht gewöhnliche Menschen aus dem Leben spielen – und welche Rollen sind schwerer zu besetzen?

Im englischen Original haucht und lacht die Stimme der Samantha zumeist quietsch-fidel in heiser-rauchiger Manier, geliehen von Scarlett Johannson. Das kann erotisch und attraktiv klingen – oder ein wenig anstregend.

“A Spike Jonze Love Story” untertitelt “Her” auf allen Plakaten. Autor und Regisseur Jonze, Ex-Mann von Filmemacherin Sofia Coppola, will das ganz klar markieren – seinen Namen, und, vielleicht noch wichtiger, den Hinweis, dass dies wirklich eine Liebesgeschichte ist. Auch wenn sie in der eigentlichen „Beziehung“ nur einen organischen Menschen beinhaltet. Aber sie ist auch nicht nur über eine Liebe. Stories, nicht Story. Und diesem verflixten Phänomen Liebe nähert sich der Film schmiegsam und schmerzlich an, wie nur wenige Produktionen es im Blockbuster-Strudel dieser Zeit zu wagen tun. Jonze hat schon bei anderen außergewöhnlichen, wahrlich abgefahrenen Geschichten Regie geführt (Being John Malkovich 1999) und bereits vorab ein ganz feines Gespür für die kleinen-großen, bewegenden Geschichten bewiesen (Wo die wilden Kerle wohnen 2009). In Her kombiniert er beides.

Her (USA, 2013)//Regie: Spike Jonze//Drehbuch: Spike Jonze//Joaquin Phoenix, Rooney Mara, Amy Adams, Olivia Wilde, Scarlett Johansson u.m.//Annapurna Pictures // Rated R//125min.

Ab 27. März 2014 in den deutschen Kinos.

Trailer:

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