Ramona Raabe
  • „Get tough and write“ – A Conversation with Nia Vardalos & Diablo Cody
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„Get tough and write“ – A Conversation with Nia Vardalos & Diablo Cody
inallgemeines, filmisch, literarisch this entry has Keine Kommentare by Ramona Raabe

Die Oscar-prämierte Drehbuchautorin Diablo Cody (JUNO, JENNIFER’S BODY, YOUNG ADULT) und die Oscar-nominierte Drehbuchautorin, Schauspielerin und Schriftstellerin Nia Vardalos (MY BIG FAT GREEK WEDDING) haben heute Abend ein Gespräch geführt: Über die Branche, über das Schreiben. Ich konnte dabei sein und erzähle hier gern ein bisschen davon –  für alle, die selber Drehbücher schreiben oder schreiben wollen, die sich für Hollywood interessieren oder auch so Berichte über Begegnungen ganz spannend finden. 

31. Januar 2014, Hollywood Boulevard, Los Angeles, 20:30 Uhr. Angesiedelt war die Veranstaltung für 20:00 Uhr, aber das scheint hier keinen aus der Ruhe zu bringen – manch Gast kommt auch erst ruhig um Viertel nach in den kleinen Saal geschlendert. Der Abend ist restlos ausverkauft. Es gibt Häppchen (ausnahmslos frittiert, eigentlich ungewöhnlich klischeehaft), Wein und Wasser. Ein paar Minuten später wird es ein wenig unruhiger, allerdings vor Freude, als Nia Vardalos und  Diablo Cody den Raum betreten – natürlich, strahlend und aufgeweckt. Nia fragt nach Barhockern, um erhöht besser mit dem Publikum, das hauptsächlich aus angehenden und ausführenden Drehbuchautoren besteht und sich weit zurück in den ebenen Raum erstreckt, sprechen zu können. Eine richtige Bühne gibt es nicht. Die beiden zeichnen zwei Besonderheiten für die Branche aus: Sie sind enorm erfolgreiche Drehbuchautorinnen, die das Schreiben zu ihrer Profession machen konnten. Und sie sind Frauen.

    Atmosphärisches Handyfoto #2: Diablo Cody (links) und Nia Vardalos (rechts)

Das sind auch die großen Themen des Abends: Der mühselige Prozess und das geliebte Privileg des Schreibens, der Weg in Hollywoods Filmbranche (welche in Los Angeles als Synonym oft nur als „the industry“ bezeichnet wird) und was das eigentlich bedeutet, in diesem Bereich als Frau zu arbeiten.

Die beiden Freundinnen befragen sich gegenseitig, plappern drauf los, über Film und Schreiben und Schmerz, Schauspiel, Studios und sowieso. Einen Moderator gibt es nicht, fast ist es, als lausche man beim privaten Kaffeetreff. Bis dann auch Fragen aus dem Publikum angenommen werden, und auch das Publikum zum persönlichen Treff dazugehört.

„To tell you a little thing… we hate writing. And yet we are both very grateful to be writers.“ (Nia Vardalos)

Aufrichtig motivierend erklären beide Schreiberinnen, dass sie daran glauben, dass jeder Mensch ein gutes Drehbuch in sich trägt. Dass sie ihre Geschichten aus dem Leben schöpfen. Nia erzählt, dass sie recht naiv nach Los Angeles kam und die ersten Jahre keinen Job gefunden hat. Sie hätte so gerne eine Griechin gespielt. Es gab keine Rolle für sie. Dann hat sie die eben selbst geschrieben – für sich und über sich. Und ihre Familie. MY BIG FAT GREEK WEDDING entstand. Der Film, in dem sie auch die Hauptrolle übernahm, wird ein Hit. Später fragt jemand aus dem Publikum, ob es nicht problematisch ist, wenn man die Geschichten im eigenen Leben sucht und tatsächlich existierende Menschen darstellt, wenn auch verfremdet. Ob die Menschen, die einem wichtig sind, nicht beleidigt reagieren werden. Ob man was dagegen tun kann. Cody antwortet darauf: „No, it’s gonna happen.“ Sie lacht, aber ganz ernst. „So many friends are mad at me. They get over it.“

Die Botschaften und Witze an dem Abend gehen hin- und her. Ich möchte die (so wie ich es erlebt habe), wichtigsten Punkte und interessantesten Momente für euch zusammenfassen.

Nach Cody und Vardalos (die sich eigentlich nie widersprochen haben):

#1 Jeder kann es schaffen. Lass dich nicht unterkriegen.

Es ist der amerikanische Urglaube. Urglaube, nicht Unglaube.  Cody und Vardalos hatten schon gesagt, dass in jedem eine besondere Geschichte schlummere. Und gut, das ist kein besonderer Gedanke, davon ist hoffentlich jeder selbst überzeugt – aber diesen Gedanken zumindest derart verpackt zu bekommen, nämlich so, dass jedermanns Geschichte großes Kino sein kann, das war trotzdem schön, von denen zu hören. Einen Schritt weiter gehend ermunterten sie auch zum Kampf auf. Wir sitzen in einem Raum, der sich mit träumenden, talentierten und vielleicht auch weniger talentierten, dafür aber besser träumenden Drehbuchautoren tummelt. Und wir sitzen in einer Stadt, in der jeder eingeatmete Luftzug auch einer ist, der gerade  von jemanden aus „der Industrie“ ausgeatmet wurde (L.A.’s ganz persönlicher Smog). Hier sagen zwei von denen, die es geschafft haben: „You can’t whine about it. Get tough and write your stuff. Don’t let the city tell you to go home. Don’t let it tell you that you don’t belong here, that you don’t have something to do or to say.“ Mit diesen Worten treffen sie im Publikum spürbar einen Nerv.

#2 Setz dich mit einem anderen Schriftsteller hin.

Aus dem Publikum fragt jemand, was sie dazu bringen würde, sich hinzusetzen und zu schreiben. Diablo: „Adderall“ – Lachen. Dann: „I am an Internet-Addict.“ Wenn für die beiden eine Deadline näher rückt, treffen sie sich und schreiben zusammen, setzen sich gegenüber. Die jeweils andere weist einen dann schon darauf hin, wenn man zu viel online shoppt oder schon genug Snacks hatte. Wenn auf der Tastatur der anderen auf einmal wie verrückt getippt würde, wirke es motivierend auf den anderen. (- das fand ich überraschend-). Schreibblockaden kennen sie, 347 Tage des Jahres schreibe sie nicht aus plötzlicher Inspiration und Lust (Cody). Vardalos: „Everybody feels it is impossible. Your blank page facing you is meaner than your ex-boyfriend’s new girlfriend. Starring at you and always thinner than you.“

#3 Weiterschreiben, auch wenn es schlecht ist.

Das trifft es eigentlich. Das mache ich im Übrigen auch gerade. Ich bin unfassbar müde und es ist sehr spät. Aber ich möchte das heute Nacht unbedingt noch mit euch teilen. Ich hoffe, ihr verzeiht mir.

#4 Hollywood auch als Witz betrachten.

So direkt haben die beiden das nicht gesagt, aber ihre gesunde und fröhlich wirkende Einstellung schien mir auch daher zu wirken, dass sie sich durchweg mit kleinen Einschüben über „die Industrie“ lustig gemacht haben. Darüber, wie anstrengend das ist, wenn man als Drehbuchautor seine Idee und Inspiration hat und dieser treu bleiben will, und dann Paramount als Einkäufer anruft, um mitzuteilen, was sie gern alles geändert hätten. Was nicht gut sei, was nicht witzig.
Montagmorgen wissen die beiden genau, was für Anrufe eingehen werden. Wenn „Ride Along“ den Box Office anführt, fragt der Agent, „ob man nicht sowas wie Ride Along schreiben kann. Nur eben etwas anders. Mit Frauen zum Beispiel.“

#5 Ständige Internetpräsenz ist nicht so wichtig.

Cody selbst sagt ja, sie ist süchtig nach dem www, aber wichtig für den Erfolg als Künstler sei das in ihren Augen nicht, trotz der Twitter und Facebook – Realität. Ashton Kutscher habe Millionen Follower und alle Fans aufgefordert, sich seinen Film anzuschauen. Davon seien aber die meisten offenbar nur zum Kühlschrank gegangen und haben sich ein Sandwich gemacht – der Film floppte. Cody selbst fing mit einem Blog an, vor JUNO-Zeiten. „My blog was a desperate cry for attention.“ Sie blickt zu Vardalos und fügt hinzu: „You know what that’s like as an actress.“

#6 Frauen haben es schwerer.

Das sind auch keine Neuigkeiten, aber ist immer wieder traurig zu hören. Gibt man als Frau Kontra, so träfe dies einen gleich härter als den Mann. Frau gilt dann schnell als „schwierig“.

Zahl am Rande: Diablo Cody ist eine von lediglich acht Frauen, die in 73 Jahren den Oscar für das Beste Drehbuch erhalten haben („Best Original Screenplay“).

Vardalos gibt zu, der einfacherere und wünschenswertere Beruf sei für sie eigentlich vor allem der der Schauspielerin. Aber für Frauen  gibt es pro Film im Schnitt etwa eine Rolle auf neun männliche Parts zu vergeben. Wenn es zwei gibt, dann deshalb, weil die erste Frau in den ersten Szenen schon stürbe oder von einer jüngeren später ersetzt würde. Und plötzlich – wie eigentlich?- ging es dann auch wieder um Body Image und die ungesunde und unrealistische Erwartung, mit denen Frauen konfrontiert werden. Vardalos: „Russell Crowe is fat and no one ever says anything.“

#7 Outlines schreiben ist dämlich.

Studios und Agenturen würden das ja oft erwarten. Aber das sei, als würde man sich mit seinem Partner hinsetzen und sagen: Ich werde jetzt mit dir schlafen. Zuerst werde ich dich küssen. Dann werde ich…und dann…und dann..usw. Das ergebe sich ja erst im Prozess.

#8 Rechte sichern und behalten.

Eigene Gedanken sichern, anmelden, sich um Copyright kümmern. Es sei traurig, aber diese Stadt (Los Angeles) sei voller Diebe. Und plötzlich sehe man seine eigene, leicht abgeänderte Idee verfilmt von der Produktionsfirma, die das eingesandte Script doch ursprünglich abgelehnt habe. Nur ein Optimist könnte sich zumindest ein wenig bestätigt und geschmeichelt fühlen.

… am Ende gab es noch einen sehr lieben Moment, der den Bogen doch schön geschlossen hat, für diesen Moment, in einem Raum der Stadt der wilden Träume. Eine deutlich ältere Dame aus dem Publikum steht auf und bedankt sich für die Inspiration. Sie selbst sei vor zwei Jahren aus Minneapolis nach Los Angeles gezogen, um nach Jahrzehnte langer Arbeit im Sozialwesen nun eine schauspielerische und schriftstellerische Karriere zu verfolgen. Das Publikum und die beiden Stars den Abends staunen kurz – und dann applaudieren alle.

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