Ramona Raabe
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Bella Italia: Herbst in Rom – ein Sommernachtsmärchen
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Zu den Ländern, die ich in meinen Reisen vernachlässigt habe, zählt – ich mag es kaum zugeben – auch Italien.  Einmal war ich vor diesem Herbst erst dort; vor zwei Jahren, in Venedig. Als ich diesen September zum ersten Mal die Hauptstadt besuchte, blieb ich gleich drei Wochen vor Ort. 

Der Reiseplan, der keiner ist 

Zunächst: Ich zähle nicht zu den Menschen, die sich vor Ihrer Anreise (oder zumindest nach ihrer Ankunft am ersten Hotelabend) einen Plan machen, wie sie die zur Verfügung stehende Zeit am effektivsten nutzen können, und welche Route sich am schlausten eignen würde, um möglichst viel in komprimierter Zeit von einer Stadt mitnehmen zu können. Ich gehöre auch nicht zu der Gruppe Reisender, die sich nur an den Pool legen oder ins Restaurant setzen wollen. Ich mag ja schon was sehen; bin aber eher der „Schauen wir mal“-Typ, der ziellos durch die Gegend irrt und oft das Glück hat, sich in städtischen Stereotypen wieder zu finden, die großen Schönheiten auch so zu entdecken, beziehungsweise, noch besser und im Idealfall, in unverhoffte kleine, schöne Hinterhöfe und Gassen zu stolpern. Reiseführer vorab lese ich auch nur selten, was sicherlich zu meinen Bildungslücken beiträgt. Ich war nun in Rom, beinahe einen Monat lang, und ich weiß nicht, wie hoch das Pantheon ist und ich weiß nicht, wie viele Stufen die spanische Treppe zählt. (Ich weiß aber, dass diese Info nur wenige Klicks entfernt ist, und vielleicht ist diese Unmittelbarkeit der Grund, weshalb ich mich der nicht vorhandenen Exklusivität dieser Information nicht zuwenden möchte: Es mag also eine gewisse Ignoranz hier herrschen. Oder die Erfahrung, dass Wissen nur selten mein Gefühl beeinflusst, und letzteres ist die einzige Materie, aus dem meine Erinnerung sich nach und nach zusammen webt.)

Ehrlich gesagt wusste ich auch lange nicht, dass meine Unterkunft sich in Pigneto befindet. Das wusste ich erst dann, als ein Mitschüler der Sprachschule mich darauf aufmerksam machte. Ist übrigens so ein Szene-Viertel, dieses Pigneto. Das wusste Der Spiegel schon im Jahre 2008 (habe jetzt doch mal was gegoogelt). Und Pier Paolo Pasolini wusste es schon lange davor, beziehungsweise ist es wahrscheinlicher, dass er Pigneto erst mit dazu gemacht hat. Dort hat er sich viel herumgetrieben, das Café Necci häufig aufgesucht, welches wir in unserer kleinen Studentengruppe schon vor dem Erwerb dieses Wissens gern aufgesucht hatten. Der Cappuccino kostet nämlich nur 1€ (sonst ist alles überteuert), und das Internet ist schnell und unkompliziert. Mehr braucht es ja nicht – wir sind billig zu haben.

Eine neue Sprache

Die einzige Struktur, die mein Rom-Aufenthalt kannte, war der Sprachkurs unter der Woche. Deutsch ist meine Muttersprache, Englisch spreche ich fließend, nachdem ich dort die Schule und die Universität besucht habe; mein Französisch war (ich wage nicht zu sagen ist) zumindest einmal so gut, dass ich einen regionalen Schüler-Debattierwettbewerb damit gewinnen und ein Praktikum in Paris ableisten konnte, und Spanisch hatte ich wenigstens drei Jahre in der Schule (davon aber eines in einer US-amerikanischen High School; ich weiß nicht, ob ich das zählen darf). Italienisch! Bella mia! – Das fehlte noch. (Es fehlt natürlich immer noch, aber einige Grundlagen beherrsche ich nun, und auch wenn es mit dem Sprechen und Formulieren eigener Sätze gelinde gesagt noch nicht ganz bravo läuft, so verstehe ich nun zumindest so einiges – das heißt natürlich, wenn Sie langsam sprechen, molto lentamente, per favore… ) Der Unterricht an der Sprachschule Scud’It Roma war sehr gut strukturiert, relativ zügig anlegt und die Lehrkraft war sehr kompetent und zugänglich. Für diesen Satz habe ich keinen Rabatt für den Kurs erhalten; ich mag die Schule wirklich gern weiterempfehlen für jeden, der vielleicht mit der Idee liebäugelt, einige Zeit in Rom zu verbringen, um Italienisch zu lernen. 

Vielleicht romantischer und unfreundlicher als Paris

Rom gefiel mir am besten bei Nacht. Ich habe mich in die Gewohnheit verliebt, mich ständig mit Gefährten dort zu verirren und zu verlieren – auf der Suche nach einem bestimmten Lokal, einem Club, auf der Suche nach den anderen. Irgendwie sucht man ständig nach den anderen. Nun bin ich jemand, der – wenn auch erst zögerlich – Paris liebt, und einen Vergleich heranzuziehen, das wäre nicht nur einfallslos, sondern auch unnötig, aber der Laune halber tue ich es nun trotzdem. Aber nur kurz, platt und unzulänglich: Beides sind Städte mit einem unvergleichlichen, klassisch-romantischen, europäischen Charme. Die Einwohner dieser Metropolen sind doch eher gestresst, und halten einiges auf ihrer Stadt (zu Recht); nicht immer scheinen sie wert darauf zu legen, dass andere sich auch wohl in ihr fühlen (eher nicht zu Recht; aber das ist eher Wunschdenken, denn es ist schließlich ihr gutes Recht). In diesem Post rede ich leider sehr viel davon, zu welcher Art von Menschen ich vielleicht zähle; und dazu gehört auch eine gewisse Tollpatschigkeit, die man nun nervig oder niedlich finden kann. Zumindest veranlasst diese mich häufig dazu, Dinge, vorzugsweise Gläser auf Tischen, umzuwerfen. Eigentlich passiert mir das aber nur in Restaurants. Vielleicht ist es ein unterbewusster Versuch, das Personal auf ihre Kundenfreundlichkeit zu testen  – in dem Fall würde manch römisches Lokal versagen. Als ich draußen (!) meinen Aperol Spritz nur auf Tisch, mich selbst (!) und Steinboden (!) kippte und die Eiswürfel aus dem unversehrt gebliebenen (!) Glas rollten,  und ich mich mehrmals bei der Kellnerin entschuldige (!), wurde ich nur ausdruckslos gefragt, ob ich nun einen neuen wolle. Keine Papierservietten.

 

Dafür ist die geballte Romantik der Stadt schon fast zu viel für ein sehnsuchtsvolles Herz. Sie leuchtet und glüht einem ins Gesicht, bröckelt antik und ertönt in Klängen hingabevoller Straßenmusikanten. In Septembernächten, wie ich sie erlebte, donnert das Sommergewitter über den Dächern. Die gewaltige Präsenz dieser Stadt blitzt sich selbst wieder und wieder in ihre eigene Geschichte.

RomNacht

La notte

Pantheon

 

Colloseum

 

CafeNecci                                                           Im Café Necci.

 

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