Ramona Raabe
  • Gewitter am Schlachtensee – und ein Buch, das ich einfach erwähnen wollte
  • 0809
Gewitter am Schlachtensee – und ein Buch, das ich einfach erwähnen wollte
inallgemeines, Kurz Nachgedacht, literarisch, Ramona this entry has Keine Kommentare by Ramona Raabe

Am Wochenende war ich auf dem Geburtstag meiner Freundin Rabea, und wir verbrachten den Abend am Schlachtensee, und sprangen schnell ins kühle Nass, ehe die Sonne unterging. Zwar war Rabea mit Teelichtern bestens ausgestattet, es gab reichlich zu Essen und zu Trinken, und ich wurde für mein Biermischgetränk ausgelacht, aber gleichzeitig dafür gelobt, ehrlich zu sein („Das ist jetzt aber nichts Gemischtes, oder? Ha-Ha!“, man hätte ja leicht verneinen können) aber ein noch grelleres Licht schnitt sich scharf in den dunklen Himmel, ein Blitz, und dann mehrere, Donner, ein paar Tropfen, und Siri’s kontinuierliche iPhone-Gelübde: „Nein, in Berlin regnet es nicht“ entpuppte sich als schamlose Unwahrheit. Die Maschine lügt, das stand fest. Wir stehen besser auf, nahmen ein paar Bahnen, und landeten in Rabeas neuer WG, die einfach mal nicht aussieht wie eine WG, sondern so in ihrem Wohnungsdasein so fertig fein für sich stehend, zumindest in der Küche, und Dinge vermissen lässt wie einen vierspaltigen Familienplaner an der Wand. Wahrscheinlich übertreibe ich auch, und die Einflüsse des schwachen Getränkes zeigten sich ob ihrer angeblichen Unwirksamkeit und Lächerlichkeit. Ich verspüre so etwas wie Nostalgie für eine Zukunft; als erinnere mich diese Wohnung an etwas, was mir eigentlich noch bevorsteht. Das Gefühl habe ich ständig.

Ich konnte nicht lang bleiben; an dem Abend gehörte ich zu den unliebsameren Gästen, die so etwas sagen wie „Ich muss morgen echt früh aufstehen…“, aber auch das stimmte bei mir. Rabeas Zimmer ist auch der Wahnsinn, und es hat noch diesen frechen, studentischerem Charme, der sich mit ihrem kreativen Intellekt paart; und so steht da auch ein fantastisches Bücherregal, vor dem ich mich an diesem Abend wieder verliere, und ich sah aber nur kurz über über diese Schätze hinweg, wir lästerten etwas über eine Neuerscheinung, die ich hier gar nicht nennen mag, und bei der es mich auch wunderte, dass Rabea überhaupt in Besitz dieser war („Ja, mir wurde gesagt, das sollte gut sein… habe ich irgendwie geschenkt bekommen…“) und auch trotz kostenlosem Anbieten keinen Abnehmer mehr auf der Party fand (total gemein; in dem Moment habe ich mich auch noch gerühmt, es trotz seiner 500 Seiten + durchgelesen zu haben; obwohl das eigentlich nur in meiner mangelnden Fähigkeit, Konsequenzen zu ziehen und Lesen einfach mal „abzubrechen“, begründet ist; mir es schwerfällt, angefangene Bücher wegzulegen, und dem Autor gegenüber unbekannterweise gleich ein schlechtes Gewissen bekomme, egal wie sehr das Weiterlesen mich geradezu unglücklich macht!, denn ein Schreiben als nicht gern genossen zu beurteilen darf in meinem Verständnis eigentlich nur, wer ganz durchgelesen hat; bei 50 Shades habe ich das jedoch wirklich nicht geschafft; Ein effizienter Lektor unter Bergen von Manuskripteinsendungen werde ich nicht, solange ich diese Eigenschaft nicht abzulegen lerne); und ich musste auch schon los, und suchte mir einen Titel aus, den Rabea mir lieberweise sofort zur Ausleihe überließ (in einer so lieben Manier, deren Besitzer oft verwundert fragend bleiben, wo denn ihre ganzen Bücher bleiben), und eigentlich ist dieses Buch der Grund, weshalb ich diesen kurz angedachten Blogeintrag schreiben wollte.

Denn ich möchte hier auf diesem Blog gar keine Literaturkritiken veröffentlichen. Und dieses Buch ist auch keines meiner absoluten Lieblinge, es ist nicht kometenhaft eingeschlagen in mein Leseherz, aber ich habe es gerade fertig gelesen, und halte es für etwas besonderes, sofern man das sagen darf, und wollte das an dieser Stelle teilen. Zu Beginn des Buches dachte ich, hm, an sich spannend geschrieben (wie bei dem Autor zu erwarten war), aber was interessiert mich das; und am Ende war ich sehr gerührt, und habe das Buch sanft geschlossen und auf meinen Nachtisch gelegt, und eine Weile nachdenklich an die Decke geschaut und in Zuneigung an Mr. Bones gedacht, den Helden dieses Romans.  Und dann bin ich gleich hierher an die Tastatur, und dachte, ich schreibe es  auf.

Ich hatte absolut keine Ahnung worum es in dem Buch geht, was in diesem völligen Blanko-Ausmaß selten ist, bevor ich anfange zu lesen, und deshalb brauchte ich auch einige Absätze, (oder, um ehrlich zu sein, denn damit rühmte ich mich ja schon bei der Erwähnung des Biermischgetränkes, vielleicht auch mehr als eine Seite), um zu verstehen, dass Mr. Bones ein Hund ist, und die Geschichte aus der Sicht eines Tieres beschrieben wird (nicht, dass Auster das verkläre; das wird in den ersten Sätzen eigentlich idiotensicher klargestellt; und hätte ich den Schutzumschlag noch gehabt, hätte mir auf dem Cover ein Hunde-Close-Up entgegengeschnüffelt).

Der Roman ist Timbuktu von Paul Auster und ist 1999 erschienen.

Die Literaturkritik hat ihn nach meiner spärlichen Google-Recherche zu urteilen nicht besonders gefeiert; aber ich fand diesen Roman unsagbar liebevoll. Es ist eine Geschichte über Trauer und Treue eines Hundes, das sein Herrchen verliert. Wie perlentaucher eine den Roman als nicht überzeugend darstellende, zeitgenössische Rezension aus der Zeit mitunter zusammenfasst: „Hanns-Josef Ortheil kann es nicht fassen, wie der Erzähler Paul Auster auf den Hund gekommen ist.“ Das ging mir auch erst so. Aber, möchte man eine Geschichte über die Trauer und die Treue erzählen, ist der Hund vielleicht mit die ehrlichste Wahl, und deshalb zwar so simpel, ja, aber auch so weltumfassend.

… und wer sich zu guter letzt noch fragt, was dieses Titelbild bitte mit diesem Beitrag zu tun hat: Eigentlich nichts. Und doch sehr viel: Denn dieser Zeitungsschnipsel befand sich zwischen den Seiten des Buches, ein zusätzlicher Schatz, auf den ich Acht gegeben habe, wann immer er mir wieder aus den Seiten entwischte. Leider habe ich an dieser Stelle keine Liebesgeschichte älterer Menschen zu erzählen, die doch zu den rührendsten gehören, aber vielleicht kommt das noch. Und außerdem erzählt das Bild selbst ja schon eine Geschichte.

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